NS-Wissenschaftspolitik Drucken

Die Wissenschaftspolitik des NS-Regimes stellt mindestens seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ein eigenständiges Forschungsthema dar. Neben der Durchführung von Personalsäuberungen in der Vorkriegszeit, der Verbindung der Wissenschaftspolitik mit Völkermordstrategien und dem Anteil der ausgewählten deutschen wissenschaftlichen Fachrichtungen, Institutionen und einzelnen Persönlichkeiten an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, d.h. Fragen, die bereits bald nach dem Kriegsende thematisiert wurden (Nürnberger Prozess und anschließende Prozesse), geht es derzeit um eine subtilere Problematik, die in erster Linie mit einer Analyse der Macht- und Entscheidungsmechanismen innerhalb des NS-Staates, der Infiltration der traditionellen wissenschaftlichen Infrastruktur (Universitäten, Akademien, Kaiser-Wilhelm-Institute) durch die SS, der Finanzierung der Forschung, der Rationalisierung und Effektivitätssteigerung der angewandten Forschung unter den Bedingungen des totalen Kriegs bzw. den langfristigen strukturellen Folgen zusammenhängen.

Aus verständlichen Gründen konzentriert sich dabei die Aufmerksamkeit der Forscher in erster Linie auf die Verhältnisse in Deutschland bzw. teilweise auch in Österreich. Die Situation in den besetzten Ländern des damaligen Europas bleibt dagegen vielmehr außerhalb des Schwerpunkts des wissenschaftlichen Interesses.

Auch aus diesem Grund wird das vorgelegte Projekt von ursprünglicher Erforschung ausgerechnet dieser Problematik begleitet. Diese soll in einer eigenständigen (einführenden) Studie näher erörtert werden, die sich einerseits auf konkrete Materie, d.h. Protektoratsmaterie, konzentrieren wird, andererseits die Ausgangspunkte für einen etwaigen internationalen Vergleich zusammenfassen möchte. Die Folgen der Repressionen im Personalbereich werden damit unter anderem sowohl im Kontext der langfristigen als auch der abhängig vom aktuellen Kriegszustand veränderlichen und modifizierten Ziele der deutschen Besatzungsverwaltung im ehem. Protektorat Böhmen und Mähren analysiert.

Dabei wird in erster Linie von Materialien ausgegangen, die sich in tschechischen, deutschen und britischen Archiven befinden.